Es herrschte vollkommene Stille auf der düsteren, nur von spärlichem Mondlicht erhellten Lichtung. Sie war so vollkommen, dass die Natur, die nächtlichen Tiere, ja selbst die riesigen Bäume am Waldrand tot schienen.
In der Mitte der Lichtung erhob sich riesig und unheimlich ein Steinkreis in dessen Zentrum sich ein Altar aus weissem Marmor befand, dessen Alter ein Mensch nicht einmal hätte erahnen können. Denn er stammte aus einer längst vergangenen, düsteren Zeit, einer Zeit, in der noch Wesen von ungeheurer Magie die Weiten der Länder beherrschten, ehe es den Menschen, Zauberern, Zwergen und Elfen in einem einzigen grossen Krieg gelang, die alten Mächte zu schwächen und zu bannen und auf ewig zu binden. Doch der Zauber, ausgesprochen vom mächtigsten menschlichen Magier aller Zeiten, enthielt einen Fehler: Wie es der Natur der Dinge eigen war, existierte auch zu diesem Zauber ein Gegensatz, ein Gegenzauber, der die Tore öffnen konnte und je schwächer die Magie des Bannes wurde, desto leichter wurde es, ihn zu brechen.
Jahre vergingen, die Welt veränderte sich, Geschehnisse wurden zu Legenden, Legenden zu Märchen ehe sie ganz vergessen gingen. Die Menschen wandelten sich, wie sich auch die Natur wandelte. Nur der Steinkreis blieb bestehen, unberührt, unheimlich und voller Magie, selbst bis heute, Jahrhunderte, Jahrtausende, vielleicht sogar Jahrmillionen später, wo wir uns befinden.
Doch nun, dort vor dem Altar stand ein Mann, vollständig in schwarz gekleidet. Er hätte durchaus menschlich sein können, doch seine Hände, die als einziges unter dem schweren, dunklen Tuch hervorlugten zeugten davon, dass er etwas anderes war, ein Wesen von Magie… Sie waren kalkweiss, beinahe durchscheinend, wie die Hände eines Toten. Um ihn herum, angeordnet in einem Halbkreis standen weitere verhüllte Gestalten, ein Duzend an der Zahl die sich einzig durch ihre schlichteren Mäntel unterschieden.
Ganz plötzlich begannen diese einen Sprechgesang in einer fremden, uralten Sprache anzustimmen, der anschwoll und immer lauter und lauter wurde. Die Luft auf der Lichtung begann zu erzittern und man spürte wie sich etwas Mächtiges im innern der Erde zu regen begann. Und dann erstarb, auf ein Zeichen des Anführers hin, der Singsang. Nur das Gefühl der Macht und das Knistern in der Luft blieb bestehen.
Nun begann der Anführer zu sprechen. Seine hohe, unmenschliche Stimme zitterte in freudiger Erwartung auf das Kommende.
„Ich rufe euch, Herren der Finsternis, Wesen von Tot und Zerstörung.“ Dicke Wolken brauten sich am Nachthimmel zusammen und verfinsterten den Mond und die Sterne.
Die Mitglieder des dunklen Geheimbundes begannen sich hin und her zu wiegen. „Wir rufen euch!“
„Ich beschwöre euch, dunkle Götter der Urgezeiten.“
„Wir beschwören euch!“ Die Spannung auf der Lichtung war merklich gestiegen und die Wolken begannen ganz plötzlich gelblich zu leuchten und warfen ihr schummriges Licht unheimlich auf das Geschehen.
„Mit Macht meines Blutes…“ Der Mann trat einen Schritt näher auf den Steinaltar zu. Ein metallener Gegenstand blitzte in seiner Hand, als er den Arm hob, die Klinge des Messers gehüllt in rotes Licht.
„Mit der Macht des Blutes…“ Die Anhänger schrieen nun beinahe und wippten hysterisch vor und zurück, als der Mann das Messer auf seinen Arm niederfahren liess und sein dunkelrotes Blut den weissen Marmor bespritzte.
Beinahe augenblicklich begann der Stein ebenso rot zu leuchten, wie das Messer und er erzitterte unter der Macht, die er seit Urzeiten gefangen gehalten hatte, und die nun langsam erwachte.
Der Anführer taumelte und kurze Zeit wurden seine roten Augen sichtbar, in denen der Wahnsinn leuchtete…
Dann hatte er wieder einen festen Stand gefunden und beendete mit letzter Kraft seine Beschwörungen.
„…sollt ihr erlösst sein von eurem Fluch, mächtige Fürsten der Finsternis und über uns, eure ergebenen Diener und die ganze Welt herrschen!“
„So soll es sein!“
Es gab eine gleissende Explosion. Ein Strahl aus gleissendem Licht fuhr hinab auf den steinernen Altar, der unter lautem Gekröse in tausend Stücke zerbarst und eine Macht freisetzte, die der menschlichen weit überlegen war. Vier Gestalten entstiegen den roten, lodernden Flamen, die die Erde spie. Riesig, dunkel und voller Bosheit erblickten ihre roten Augen nach Millionen von Jahren in Gefangenschaft wieder die Erde und beschlossen sie zu zerstören…
Doch niemand hätte mit dem gerechnet, was nur Sekunden später geschah. Alle hatten sich getäuscht indem sie dachten, der Magier der den Fluch gesprochen hatte, hätte einen Fehler gemacht. Denn im Wissen, dass es zu jedem Zauber einen Gegenzauber gab, sorgte er vor: Sollte irgend jemand jemals versuchen, den Bann zu brechen, so würde dieser jemand die düsteren Wesen nicht freilassen, sondern sie und sich selbst auf ewig in die Unterwelt verbannen.
Und so geschah es, dass ein Sog grellen Lichtes alle auf der Lichtung anwesenden Gestalten mit sich zurück in die Tiefe riss und dass sich die Erde erneut schloss, doch dieses Mal auf ewig.